Menschliches Skelett (Frontansicht) |
Der Knochen (lateinisch-anatomisch Os, Plural Ossa, griechisch-klinisch-pathologisch meist Ost~, Oste~ oder Osteo~, von οστούν) oder das Knochengewebe (auch das Bein aus alter germanischer Wortwurzel, vergleiche Brustbein, Beinhaus etc. und englisch bone) bezeichnet ein besonders hartes, skelettbildendes Stützgewebe der Wirbeltiere. Das menschliche Skelett besteht aus etwa 206 Knochen. Die Anzahl variiert, da unterschiedlich viele Kleinknochen in Fuß und Wirbelsäule vorhanden sein können.
Alle Wirbeltiere
stützen ihren Körper von innen durch ein Skelett, das aus einer
Vielzahl von Knochen gebildet wird. Die einzelnen Knochen sehen je nach
Lage und Funktion unterschiedlich aus. Gleichzeitig schützen die Knochen
innere Organe, wie die Schädelknochen das Gehirn und der Brustkorb das Herz und die Lunge. Außerdem bilden sich im roten Knochenmark die roten Blutkörperchen, die Blutplättchen und die weißen Blutkörperchen. Die Größe variiert zwischen den nur millimetergroßen Gehörknöchelchen einiger Kleinsäuger bis zu den meterlangen Bein- und Rippenknochen der Dinosaurier.
Etymologie
Ursprünglich werden mit dem Begriff „Bein“ (mhd., ahd. bein) Teile des Endoskeletts bezeichnet, seit dem 14. Jahrhundert mit „Knochen“. Knochen leitet sich von knoche (mhd.), bzw. knoke (mnd.) her. Das wohl ursprünglich lautmalerische Wort (vgl. „knacken“, eng. to crack) verdrängte weitgehend das ältere „Bein“. In den deutschen Namen einiger Knochen kommt das Wort ‚Bein‘ jedoch immer noch vor, beispielsweise bei fast allen Schädelknochen.
Knochenformen
Die Osteologie als Teilbereich der Anatomie unterscheidet verschiedene Knochenformen:
- Röhrenknochen (lange Knochen, Ossa longa): Oberarmknochen (Humerus), Elle (Ulna) und Speiche (Radius), Oberschenkelknochen (Femur) und Schien- (Tibia), Wadenbein (Fibula) und Fingerknochen. Die langen Knochen bestehen aus zwei Knochenenden (Epiphyse) und einem Knochenschaft (Diaphyse).
- platte Knochen (Ossa plana): am Schädel (Cranium) sowie als Rippen (Costae), Schulterblatt (Scapula), Brustbein (Sternum), Becken (Ossa coxae)
- kurze Knochen (Ossa brevia): ungeformte Knochen, wie Handwurzelknochen
- Sesambeine (Ossa sesamoidea): kleine rundliche Knochen, die variabel auftreten können, wie Kniescheibe (Patella)
- luftgefüllte Knochen (Ossa pneumatica): enthalten mit Schleimhaut ausgefüllte Hohlräume, am Schädel das Stirnbein (Os frontale)
- unregelmäßige Knochen (Ossa irregularia): Sie lassen sich den anderen Knochenformen nicht zuordnen, z. B. Wirbel (Vertebrae) der Wirbelsäule oder der Unterkieferknochen (Mandibula).
Schematischer Aufbau eines Röhrenknochens |
Feinbau der Knochen
Der Knochen wird von einer Bindegewebshaut, der Knochenhaut (Periost), umgeben, die ihm eng anliegt.
Die Knochensubstanz besteht aus Knochenzellen (Osteozyten),
welche in die sogenannte „Knochenmatrix“ eingebettet sind. Die
Osteozyten sind durch Zellfortsätze untereinander verbunden. Ein eigenes
Blutgefäßsystem versorgt die Knochenzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff. Den Abbau des Knochengewebes übernehmen Osteoklasten, mit Hilfe von Knochenbildungszellen Osteoblasten wird es wieder neu aufgebaut.
Die Knochenmatrix setzt sich zu 10 % aus Wasser, zu 20 % aus organischen Materialien und zu 70 % aus anorganischen Stoffen (vor allem Hydroxylapatit) zusammen. Die organischen Anteile bestehen zu 95 % aus Kollagen Typ I und zu 5% aus Proteoglycanen sowie mehreren anderen nicht-kollagenen Proteinen, beispielsweise Osteonectin, Osteopontin und Osteocalcin (siehe auch Osteoid).
Die Knochensubstanz kann in zwei Arten auftreten, als Geflecht- und als Lamellenknochen.
Geflecht- oder Faserknochen
Geflechtknochen (Syn. Faserknochen) besteht aus
Knochenbälkchen. Im Gegensatz zum Lamellenknochen sind die Osteozyten
unregelmäßig verteilt und die Kollagenfasern der Knochenmatrix sind in
groben Bündeln scheinbar ungeordnet ausgerichtet. Geflechtknochen
entsteht bei den aus desmaler und enchondraler Ossifikation gebildeten Knochengeweben sowie nach Knochenbrüchen in der ersten Phase der Knochenheilung.[1]
Geflechtknochen enthält relativ viele Osteoblasten, ist gut durchblutet
und weniger mineralisiert als Lamellenknochen. Er ist sehr zugfest und
biegungselastisch.[2]
Geflechtknochen wird zumeist in Lamellenknochen umgebaut. Bei Erwachsenen kommt er lediglich im Felsenbein, in den Gehörknöchelchen, an den Zahnfächern und den Rändern der Schädelnähte vor.[2] Auch bestimmte Knochentumoren und Knochenzysten können sich aus Geflechtknochen zusammensetzen.
Lamellenknochen
Lamellenknochen wird in die äußere Substantia corticalis (im Mittelteil von Röhrenknochen ist diese sehr dick und wird deshalb auch als Substantia compacta bezeichnet) und die innere Substantia spongiosa, ein schwammartiges Gerüstwerk feiner Knochenbälkchen, gegliedert. Im Inneren ist bei langen Knochen eine Markhöhle (Cavitas medullaris) ausgebildet. In der Markhöhle und in den Zwischenräumen der Spongiosa befindet sich das Knochenmark (Medulla ossium), das im Laufe des Lebens allmählich durch gelbes Fettmark ersetzt wird. Rotes Knochenmark bleibt nur in wenigen Knochen erhalten (Rippen, Brustbein, Wirbelkörper, Hand- und Fußwurzelknochen, platte Schädelknochen und Becken). Dort finden sich Blut bildende Zellen (siehe Hämatopoese).
Knochenwachstum und -umbau
Aus dem embryonalen Bindegewebe, dem Mesenchym, entstehen unter anderem Osteoblasten. Diese Zellen bilden das weiche Osteoid, die noch unverkalkte Knochengrundsubstanz. Sie reichern mit der Zeit Hydroxylapatit an, erst durch die Einlagerung dieses Calciumphosphats wird der Knochen hart und stabil. Osteoblasten, die vollständig von Knochenmatrix umgeben sind, nennt man Osteozyten.
Bisher haben Mediziner angenommen, dass es sich beim Knochenwachstum
um einen Prozess handelt, der gleichmäßig über Tag und Nacht verteilt
stattfindet – schubweise an manchen Tagen mehr und an anderen weniger.
Dies scheint jedoch nach den Ergebnissen der Untersuchungen von amerikanischen Forschern der University of Wisconsin-Madison
nicht korrekt zu sein. Ihren Erkenntnissen zufolge wachsen Knochen
hauptsächlich nachts, wenn kein Druck auf ihnen lastet. Unter Belastung,
wie sie beim Stehen oder bei Bewegungen auftritt, wachsen Knochen
dagegen kaum. Vermutlich hemmt der Druck, der im Stehen auf den
Knorpelschichten der Knochen lastet, das Wachstum. Die Tatsache, dass Wachstumsschmerzen
hauptsächlich nachts auftreten, könnte ein weiterer Hinweis für das
nächtliche Wachstum von jungen Knochen sein; unter Wachstumsschmerzen
leiden etwa ein Drittel aller Kinder zwischen drei und zwölf Jahren.[3]
Man kann zwei verschiedene Arten der Knochenentwicklung (Ossifikation) unterscheiden:
- Desmale Ossifikation – Entwicklung aus bindegewebiger Vorstufe (Schädeldach, Gesicht, Teile des Schlüsselbeins)
- Chondrale Ossifikation – Entwicklung aus hyalinem Knorpelskelett (Mehrheit der Knochen)
Knochen ist kein starres Gebilde, sondern unterliegt einem permanenten Umbau. Man spricht hier von Knochengeweberemodellierung.
Erkrankungen
Wenn ein Knochen durch äußeren Einfluss oder mangels Knochenmasse bricht, spricht man medizinisch von einem Knochenbruch (Fraktur). Bei der Heilung wächst der Knochen unter der Knochenbruchbehandlung
wieder zusammen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass sich die
beiden Teile in richtiger Stellung zueinander befinden. Eine
Ruhigstellung erfolgt konservativ, d. h. mit Hilfe eines Gipsverbandes
oder einer Schiene, oder operativ als Osteosynthese mit Hilfe einer Marknagelung oder einer Verplattung. Werden die Knochenenden nicht ruhiggestellt, kann die Heilung ausbleiben, und es kommt zur Pseudarthrose, einem sogenannten „falschen Gelenk“.
Weitere Knochenerkrankungen (Osteopathien) sind:
- Fibrodysplasia ossificans progressiva
- Osteoporose
- Osteochondrosis dissecans
- Osteogenesis imperfecta
- Achondroplasie
- Osteomyelitis (Knochenentzündung)
- Hypophosphatasie
- Panostitis der Hunde
- Morbus Paget (Osteodystrophia deformans)
Knochen können auch im Rahmen von Erkrankungen mitbetroffen sein, deren primäre Ursache nicht im Knochen selbst liegt. Bei Brustkrebs und Prostatakrebs finden sich häufig Metastasen im Knochen, Knochenmetastasen. Multiple Myelom führt meist zu Osteolysen. Bei Niereninsuffizienz kommt es zu vermehrtem Knochenabbau (siehe Chronisches Nierenversagen).
Verwendung tierischer Knochen
Tierknochen gehören zusammen mit Holz und Stein zu den ältesten
Rohstoffen, die der Mensch für die Herstellung von Werkzeugen und Geräten wie Nadeln und Ahlen nutzte. In der Geißenklösterle-Höhle
wurden relativ gut erhaltene oder rekonstruierbare Flöten mit
Grifflöchern entdeckt, die nahezu 35.000 Jahre alt sind. Zwei von ihnen
sind in einem Stück aus Schwanenknochen[4]
gefertigt. Knochenmark war eine geschätzte Nahrung. Knochen dienten
zudem als Messergriffe und für andere Schäftungen. Perlen,
Rosenkranzzperlen, Haarnadeln und Kämme wurden bis ins Mittelalter vor
allem aus Knochen gefertigt[5]. In China dienten Knochen, vor allem Schulterblätter, seit dem ausgehende Neolithikum als Schreibmaterial für Orakelanfragen. Das macht Knochen zu einem der ältesten Beschreibstoffe[6].
Die Knochen von Tieren, insbesondere von Rindern, werden dazu genutzt, Seife oder Knochenleim zu produzieren. Des Weiteren wird heute daraus vor allem Knochenmehl als organischer Dünger hergestellt. Als Futterzusatz wurde Knochenmehl seit dem Aufkommen der bovinen spongiformen Enzephalopathie (BSE) verboten.
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